Die Edelweißrallye II
Vor fünf Jahren veranstaltete das Porsche-Zentrum Heilbronn in Zusammenarbeit mit der Sportfahrschule Porsche und dem Porsche Club Heilbronn-Hohenlohe ein Sicherheitstraining auf dem Salzburgring.
Da das Sicherheitstraining an einem Freitag stattfand, wollten viele Teilnehmer seinerzeit die Gelegenheit nutzen, an dem nachfolgenden Wochenende weiter zu üben, wie man Porsche Sportwagen sicher, aber auch sportlich bewegt. Vorgesehen war eine Tour über die Hohen Tauern und den Katschberg nach Gmünd in Kärnten, um das dortige Porsche Museum zu besuchen und nach einer Übernachtung im Gebirge über Heiligenblut den Rückweg über den Großglockner anzutreten.
In der Nacht fand ein Wettersturz statt, unsere Fahrzeuge wurden eingeschneit und unsere Sommer¬bereifung, vom vorausgegangenen Salzburgring-Training schon angegriffen, war ungeeignet, um ins Gebirge bis auf über 2.500 Meter hochzuklettern.
An diesem eiskalten Morgen im verschneiten Maltatal, gelobten die Teilnehmer, dass man zurückkehren werde, um mit den Fahrzeugen bis zur Edelweißspitze (2.577 m) an der Glockner-Hochalpenstraße aufzusteigen.
Ausgearbeitet für den Porsche Club Heilbronn-Hohenlohe wurde von unserem langjährigen Clubmitglied Jörg Austen in diesem Sommer eine Rallye, bei der weder Stoppuhren noch Navigationssysteme notwendig waren, um zu den Zielpunkten zu kommen.
Das französische Wort „rallier“ (deutsch: zusammenführen), wurde bei der Edelweißrallye 2 wörtlich umgesetzt und die Teilnehmer aus Süddeutschland hatten drei Möglichkeiten, in die Rallye „einzusteigen“.
Der erste Treffpunkt an einem Donnerstag war die Firma Ruf in Pfaffenhausen, wo uns Alois Ruf und seine Mannschaft, trotz IAA in Frankfurt begrüßten. Wir konnten die Motorenprüfstände besichtigen, uns wurden die leistungsgesteigerten Motoren und Komponenten erklärt und wir sahen, wie aus Scheunen¬funden wieder restaurierte Porsche Oldtimer entstehen. Die Firma Ruf stellt selbst Sportwagen mit eigenen und mit Porsche-Komponenten her.
Im Konvoi fahrend, wurde ein Stellungswechsel vorgenommen. In Vogt im Allgäu, in Bodensee-Nähe, wurden wir bei der Firma Krämer erwartet. Auch dort entstehen aus Porsche-Invaliden wieder leistungs¬starke Fahrzeuge, insbesondere ältere Typen. Der Familienbetrieb Krämer hat sich auf den Service an Serienfahrzeugen und die Instandsetzung mit Original Porsche Teilen spezialisiert.
Bei Krämer werden auch die inzwischen schon legendären Porsche-Diesel Schlepper betreut, die seinerzeit im nahen Friedrichshafen am Bodensee gebaut wurden. Wir erlebten „life“ die Abfahrt eines Porsche Diesel-Schleppers auf dem Anhänger zu einem Schlepper¬treffen im Schwarzwald.
Herr Dipl.-Ing. Paul Hensler, der damalige Konstrukteur der Dieselmotoren bei Porsche und jetziger Besitzer dieses Schlepper-Prototyps erklärte uns die Besonderheiten des schnelllaufenden Dreizylinder-Dieselmotors.
Direkt in Vogt, im Landgasthaus „Paradies“, verbrachten wir den ersten gemeinsamen Abend auf der Tour in den Süden. Der Abend war noch angenehm warm, so dass wir zunächst im Biergarten sitzen konnten.
Da für die Edelweißrallye 2 am folgenden Tag zwei österreichische Pässe und weitere Besichtigungen vorgeplant waren, wurde der Restart des Konvois am nächsten Morgen trotz Protesten nahezu bei Nacht und Nebel schon angetreten. Als aber nach wenigen Kilometern im Allgäu sich die Frühnebel lichteten und die Sonne durchkam, gab es nur noch strahlende Gesichter. Nach einer kurzen Strecke auf der Autobahn A96 trafen wir am Ortseingang von Lindau auf Nachzügler, die am Vortage noch nicht dabei sein konnten. Mit vollen Tanks und Vignetten für die österreichischen Autobahnen wurde als Zwischenziel der Arlbergpass mit 1793 m Höhe angepeilt.
Nahe Innsbruck, in Wattens, war gegen Mittag ein Zwischenstopp in den Swarovski Kristallwelten geplant. Hier kamen endlich die Damen auf ihre Kosten, denn bis zu diesem Kontrollpunkt war eher die Motorleistung und das optimale Pässefahren das Gesprächsthema. Aber noch ein weiterer Alpenpass stand am Nachmittag im Roadbook:: Nach dem Zillertal war es der Gerlos-Pass mit 1507 m Seehöhe, der zu überqueren war. Bei bestem Wetter und fast keinem Verkehr konnten hier unsere Fahrzeuge zeigen, dass sie nicht nur für die Autobahnen geeignet sind.
Der Abstieg vom Pass mit dem ersten Schnee auf den Berggipfeln rundum und die Kehrschleifen hinunter in das Tal der Salzach wurden zum Erlebnis für alle Teilnehmer.
An der Großglockner-Hochalpenstraße, exakt bei Kilometer 0,0 hatten wir dann zwei Tage unser Hauptquartier im „Lukashansl“ in Bruck. Von dort aus war für den Folgetag ein Rundkurs ausgearbeitet, der über die Hohen Tauern (1739 m) und den Katschberg (1641 m) hinunter nach Gmünd in Kärnten führte.
Im Porsche Museum in Gmünd begrüßte uns Helmut Pfeifhofer, er lud uns ein, die Geschichte der Verlagerung von Porsche im Zweiten Weltkrieg kennen zu lernen. Hier in Gmünd entstanden nach dem Kriegsende die ersten 52 Fahrzeuge der Baureihe 356. Es waren die ersten Sportwagen, die den Namen >>Porsche<< als Marke trugen.
Mit offenen Verdecken der Cabrios bewegte sich der Konvoi am Nachmittag Richtung Heiligenblut, um von Süden her die Großglockner-Hochalpenstraße zu befahren. Auf der Fahrt zum Hochtor, dem höchsten Punkt der eigentlichen Glocknerstraße mit 2575 m, hatten wir die seltene Gelegenheit, den höchsten Berg Österreichs, 3797 m hoch, mit Neuschnee vor dem blauen Himmel zu bewundern.
Aber noch war unser fünf Jahre altes Versprechen nicht eingelöst: „Wir fahren hoch bis zur Edelwei߬spitze!“. Dieser Bergkegel ist oben abgeflacht, dort ist Österreichs höchster Parkplatz und eine Aussichts¬turm in 2577 m Seehöhe. Dort oben gibt es eine Jausenstation, die von Versuchsfahrern der Automobilindustrie aus ganz Europa und auch Motorjournalisten bestens bekannt ist. Hier, an einem (beinahe) heiligen Ort wurde jedem Teilnehmer symbolisch sein Edelweiß in Form einer Anstecknadel zur Erinnerung überreicht.
Als wir später auf der schmalen, sehr steilen Zufahrt zur Edelweißspitze wieder talwärts fuhren, erlebten wir noch ein große Überraschung. Ein Porsche Panamera-Versuchswagen aus Weissach kam uns entgegen, ausgestattet mit Messinstrumenten und Sensorleitungen zu allen vier Rädern.
Zurück bei Kilometer 0,0 der Glocknerstraße in Bruck im Lukashansl wurde am Abend bei Zithermusik und einem festlich angerichteten Bankett noch lange diskutiert, ob man heutzutage noch immer mit dem Gang im Gebirge abwärts fahren sollte, mit dem man aufwärts fährt.
Die Erfahrung (im wahrsten Sinne des Wortes) der drei Tage hat nämlich ergeben, dass unsere Porsche Fahrzeuge eine so gute Bremsanlage haben, dass man durchaus auf den langen Geraden bergab ordentlich Gas geben und auch hochschalten darf, um kurz vor den Kehren dann wieder zurück¬zuschalten und kurzzeitig „voll in die Eisen zu steigen“.